Rechtsanwalt Tobias Ziegler Flurstraße 17, 40235 Düsseldorf
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Überstunden: Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Überstunden sind ein zentrales Thema im Arbeitsrecht und führen häufig zu Konflikten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bietet Leitlinien, welche rechtlichen Anforderungen zu beachten sind. Dieser Leitfaden bietet einen Überblick über rechtliche Rahmenbedingungen, Rechte und Pflichten von Arbeintnehmern bzw. Arbeitgebern sowie praktische Empfehlungen zur Handhabung von Überstunden im Arbeitsalltag.

1. Was sind Überstunden?

Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden. Sie entstehen häufig durch betriebliche Erfordernisse oder unerwartete Arbeitsaufkommen.

Das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt die maximal zulässige Arbeitszeit fest. Demnach darf die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten (§ 3 ArbZG). Eine Verlängerung auf bis zu zehn Stunden ist möglich, sofern innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden nicht überschritten werden.

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2. Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer

Pflicht zur Leistung von Überstunden:

Arbeitnehmer sind grundsätzlich nur dann zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn dies im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung ausdrücklich vereinbart wurde. In Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei dringenden betrieblichen Notwendigkeiten oder zur Abwendung von Schäden, kann eine Verpflichtung bestehen.

Recht auf Vergütung oder Freizeitausgleich:

Arbeitnehmer haben Anspruch darauf, dass geleistete Überstunden vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Ist im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung nichts anderes geregelt, besteht ein Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 612 BGB). Die Höhe der Vergütung richtet sich dabei nach dem üblichen Stundenlohn oder den entsprechenden Vereinbarungen.

Dokumentation von Überstunden:

Überstunden sollten sorgfältig dokumentiert werden, um im Bedarfsfall Ansprüche nachweisen zu können. Eine genaue Aufzeichnung von Datum, Uhrzeit und Grund der Überstunden erleichtert die Durchsetzung von Vergütungs- oder Freizeitausgleichsansprüchen. Das BAG hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2016 (5 AZR 362/16) klargestellt, dass Arbeitnehmer detailliert darlegen müssen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten sie Überstunden geleistet haben. Der Nachweis, dass diese Überstunden zur Erfüllung der Arbeitsaufgaben notwendig und vom Arbeitgeber geduldet wurden, ist dabei entscheidend.

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3. Rechte und Pflichten der Arbeitgeber

Anordnung von Überstunden:

Arbeitgeber können Überstunden anordnen, wenn eine entsprechende vertragliche Grundlage besteht oder dringende betriebliche Erfordernisse dies notwendig machen. Dabei müssen jedoch die gesetzlichen Höchstgrenzen der Arbeitszeit und die Gesundheit der Arbeitnehmer berücksichtigt werden.

Vergütung und Freizeitausgleich:

Arbeitgeber sind verpflichtet, geleistete Überstunden angemessen zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen, sofern dies nicht anderweitig vereinbart wurde. Eine klare und transparente Regelung im Arbeitsvertrag oder in betrieblichen Vereinbarungen hilft, Missverständnisse zu vermeiden.

Arbeitszeiterfassung:

Nach aktuellen rechtlichen Vorgaben sind Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen. Diese Pflicht ergibt sich unter anderem aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 (Rechtssache C-55/18), das die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Verpflichtung in seinem Urteil vom 13. September 2022 (1 ABR 22/21) bestätigt. Die genaue Ausgestaltung dieses Systems ist jedoch nicht gesetzlich festgelegt und kann sowohl elektronisch als auch manuell erfolgen.

Datenschutz und Mitbestimmung:

Bei der Einführung und Nutzung von Arbeitszeiterfassungssystemen müssen Arbeitgeber die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), einhalten. Zudem hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), wenn technische Einrichtungen zur Verhaltens- oder Leistungskontrolle eingesetzt werden.

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4. Darlegungs- und Beweislast in Überstundenprozessen

Arbeitnehmerseite:

In arbeitsrechtlichen Streitigkeiten über Überstunden liegt die Darlegungs- und Beweislast in der Regel beim Arbeitnehmer. Es muss nachgewiesen werden, dass Überstunden geleistet wurden, diese vom Arbeitgeber angeordnet oder geduldet wurden und nicht durch das Grundgehalt abgegolten sind. Eine detaillierte und präzise Dokumentation der Überstunden ist hierbei von entscheidender Bedeutung. Das BAG hat im Urteil vom 4. Mai 2022 (5 AZR 474/21) bestätigt, dass Arbeitnehmer, auch wenn ein System zur Arbeitszeiterfassung besteht, weiterhin die Beweislast tragen, Überstunden konkret nachzuweisen.

Arbeitgeberseite:

Der Arbeitgeber muss substantiiert darlegen, dass die Überstunden nicht angeordnet oder notwendig waren oder bereits durch das Gehalt abgegolten sind. Ein pauschales Bestreiten der Überstunden reicht vor Gericht nicht aus. Arbeitgeber sollten daher klare Regelungen und Dokumentationen bezüglich der Überstundenpraxis führen.

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5. Besondere Arbeitszeitmodelle

a) Vertrauensarbeitszeit

Bei der Vertrauensarbeitszeit wird die Erfüllung der Arbeitsaufgaben in den Vordergrund gestellt, ohne eine genaue zeitliche Kontrolle. Trotz dieses flexiblen Modells gelten die gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften uneingeschränkt. Nach dem BAG-Urteil vom 23. September 2015 (5 AZR 767/13) besteht auch hier die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen.

b) Teilzeitbeschäftigte

Teilzeitbeschäftigte dürfen bei der Vergütung von Überstunden nicht benachteiligt werden. Überstunden, die über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen, sind entsprechend zu vergüten oder auszugleichen. Dabei ist zu beachten, dass Überstunden erst dann vorliegen, wenn die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird, es sei denn, es existieren anderweitige Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag. Der EuGH entschied in seinem Urteil vom 19. Oktober 2023 (C-660/20), dass eine einheitliche Auslöseschwelle für Überstundenvergütung ohne Anpassung an die Arbeitszeit von Teilzeitkräften eine unzulässige Diskriminierung darstellt.

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6. Praktische Empfehlungen und Fazit

Für Arbeitnehmer:

  • Dokumentation: Genaue Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten und Überstunden führen.
  • Kommunikation: Überstunden im Vorfeld mit dem Arbeitgeber abklären und Absprachen möglichst schriftlich festhalten.
  • Vertragliche Regelungen prüfen: Über die Bestimmungen zu Überstunden im Arbeits- oder Tarifvertrag informieren.

Für Arbeitgeber:

  • Klare Regelungen: Die Voraussetzungen für Überstunden und deren Vergütung oder Ausgleich eindeutig in Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen definieren.
  • Arbeitszeiterfassungssysteme einführen: Ein zuverlässiges und datenschutzkonformes System zur Erfassung der Arbeitszeiten implementieren.
  • Betriebsrat einbeziehen: Den Betriebsrat bei der Einführung und Gestaltung von Arbeitszeiterfassungssystemen mit einbeziehen.
  • Regelmäßige Überprüfung: Regelmäßig die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften kontrollieren und Überstunden transparent dokumentieren.

Fazit

Die rechtliche Handhabung von Überstunden erfordert sowohl von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern Sorgfalt und Transparenz. Eine genaue Dokumentation und klare vertragliche Regelungen helfen, Missverständnisse zu vermeiden und rechtliche Konflikte zu minimieren. Die aktuellen Urteile des EuGH und des BAG unterstreichen die Bedeutung einer systematischen Arbeitszeiterfassung zur Sicherstellung der Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften und zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer.

Bei Unsicherheiten oder rechtlichen Fragen rund um das Thema Überstunden ist es ratsam, frühzeitig einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren. Ein Fachanwalt kann individuell beraten, rechtliche Risiken aufzeigen und bei der Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen unterstützen. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber profitieren von einer fundierten rechtlichen Beratung, um ihre Rechte zu wahren und Konflikte zu vermeiden bzw. zu lösen.

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