Rechtsanwalt Tobias Ziegler Flurstraße 17, 40235 Düsseldorf
TätigkeitsschwerpunkteRecht-InfosHonorar-InfosRechtsberatung Online
AnwälteAktuellesLinksKontakt

Kündigung bei Insolvenz – diese Chancen haben Arbeitnehmer

Wenn die Beschäftigten die Nachricht erreicht, dass der Arbeitgeber Insolvenz anmelden muss, sind die Sorgen vor einem Stellenverlust groß. Doch auch bei Insolvenz sind die Arbeitnehmer keinesfalls schutzlos.

Wann eine Kündigung bei Insolvenz möglich ist und was Sie sonst noch wissen müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

1. Bedeutet Insolvenz automatisch Entlassung?

2. Wer spricht Kündigungen aus?

3. Was gibt es bei Kündigungen zu beachten?

   a) Kündigungsschutz

   b) Besonderheiten bei der Kündigung

   c) Interessenausgleich

4. Finanzielle Entschädigung aufgrund der Insolvenzfolgen

   a) Schadensersatz

   b) Abfindung

5. Wie wehre ich mich gegen eine Kündigung?

6. Fazit

1. Bedeutet Insolvenz automatisch Entlassung?

Die Insolvenz des Arbeitgebers löst keine automatische Kündigung der Arbeitnehmer aus.

Eine Insolvenz bedeutet zunächst, dass der Arbeitgeber unter Zahlungsschwierigkeiten leidet. Eine Unternehmensschließung folgt daraus aber nicht zwingend. Häufig versucht der Arbeitgeber, den Betrieb zu sanieren, neue Investoren zu finden und die Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Das Arbeitsverhältnis besteht also grundsätzlich unverändert weiter.

Die Insolvenz des Arbeitgebers bedeutet aber auch nicht, dass eine Kündigung generell ausgeschlossen ist. Gerade in einer finanziellen Schieflage können Entlassungen notwendig werden. Wann genau Kündigungen bei Insolvenz möglich sind, erfahren Sie weiter unten.
Zum Seitenanfang


2. Wer spricht Kündigungen aus?

Normalerweise werden Kündigungen vom Arbeitgeber ausgesprochen. In der Insolvenz ist das aber nicht unbedingt der Fall. Grund hierfür ist, dass das Insolvenzverfahren auf zwei Arten geführt werden kann.

Klassischerweise wird durch das Gericht ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser entzieht dem Arbeitgeber die Leitung des Unternehmens und übernimmt sie selbst. Er darf damit alle Entscheidungen treffen, die sonst der Arbeitgeber getroffen hätte. Somit obliegt es auch dem Insolvenzverwalter, Arbeitnehmern zu kündigen. Ist ein Insolvenzverwalter bestellt, darf nur er Kündigungen aussprechen.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchführt. Der Arbeitgeber behält dann seine Leitungsposition. Ob und welchen Arbeitnehmern gekündigt wird, ist dann weiterhin seine Entscheidung. Einen Insolvenzverwalter gibt es in diesen Verfahren nicht. Der Arbeitgeber wird bloß durch einen sog. Sachwalter beaufsichtigt.
Zum Seitenanfang


3. Was gibt es bei Kündigungen zu beachten?


a) Kündigungsschutz

Möchte der Insolvenzverwalter bzw. Arbeitgeber Arbeitnehmer entlassen, muss er auch in der Insolvenz weiterhin den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer beachten. In Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern sind Kündigungen daher nur mit Kündigungsgrund möglich, sofern der Arbeitnehmer bereits länger als sechs Monaten für den Arbeitgeber tätig ist. So bestimmt es das Kündigungsschutzgesetz (KSchG).

Wichtig: Allein die Insolvenz stellt keinen ausreichenden Grund für die Kündigung dar! Oft wird bei einer Insolvenz das Unternehmen aber aus Kostengründen verkleinert. Ist dann nicht mehr genug Arbeit für alle Arbeitnehmer dar, kann ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegen. Betriebsbedingte Kündigungen sind aber nur dann erlaubt, wenn die betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich nicht mehr anderweitig einsetzbar sind. Ihre Stelle muss also gänzlich wegfallen und eine andere Tätigkeit darf für sie nicht verfügbar sein.

Beispiel: Arbeitgeber A will aufgrund seiner Zahlungsschwierigkeiten einen Teil der Produktion einstellen. Können die dort beschäftigten Arbeitnehmer trotzdem weiterbeschäftigt werden, beispielsweise an einem anderen Standort, sind betriebsbedingte Kündigungen nicht möglich. Sollte aber gar keine Möglichkeit bestehen, die Mitarbeiter mit Arbeit zu versorgen, kann ihnen gekündigt werden. Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss der Insolvenzverwalter außerdem die Sozialauswahl beachten. Er hat die Arbeitnehmer dann nach sozialer Schutzwürdigkeit zu sortieren und darf zunächst nur diejenigen entlassen, die den geringsten Schutz genießen (§ 1 Abs. 3 KSchG).

Diese Einordnung wird durch folgende Kriterien bestimmt:

-Schwerbehinderung
-Unterhaltspflicht
-Dauer der Betriebszugehörigkeit
-Lebensalter

Im Einzelfall genießen bestimmte Arbeitnehmer, z.B. Schwangere, darüber hinaus Sonderkündigungsschutz. Die Entlassung ist dann noch weiter erschwert. Oft muss eine Behörde zustimmen.
Zum Seitenanfang

b) Besonderheiten bei der Kündigung

Die Insolvenzordnung (InsO) sieht mehrere Regelungen vor, die dem Insolvenzverwalter Kündigungen erleichtern.
Zunächst sind Entlassungen auch dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn der Arbeitsvertrag befristet ist oder ein Tarifvertrag Kündigungen verbietet (§ 113 InsO). Selbst ordentlich unkündbare Arbeitsverhältnisse können bei Insolvenz also beendet werden. Dabei gilt eine Kündigungsfrist von drei Monaten, sofern im Einzelfall nicht eine noch kürze Frist greift.
Außerdem wird die Kündigungsfrist auch in allen anderen Fällen auf höchstens drei Monate begrenzt. Dies wird insbesondere für Arbeitnehmer relevant, die eigentlich aufgrund der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit eine längere Kündigungsfrist genießen würden (vgl. § 622 BGB).

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn eine Entlassung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugestellt wurde. Der Insolvenzverwalter darf dem Arbeitnehmer dann nochmals kündigen, um so die verkürzte Kündigungsfrist zu nutzen. Sollten Sie also in eine solche Situation geraten, empfiehlt es sich, gegen die Kündigung vorzugehen oder frühzeitig nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten zu schauen.

Beispiel:
Arbeitnehmerin B erhält kurz vor der Insolvenzeröffnung ihre Kündigung. Weil sie schon seit zwölf Jahren im Unternehmen arbeitet, beträgt die Kündigungsfrist fünf Monate. Kurz danach wird das Insolvenzverfahren eröffnet und Insolvenzverwalter W bestellt. Er kündigt ihr erneut. Wegen der Nachkündigung muss B bereits nach drei Monaten gehen, da in der Insolvenz eine kürzere Kündigungsfrist gilt.
Zum Seitenanfang

c) Interessenausgleich

Soll im Rahmen der Insolvenz eine Betriebsänderung – also eine größere Umgestaltung des Betriebs wie beispielsweise Massenentlassungen – erfolgen, müssen Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter und Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln. Dabei wird über die genauen Abläufe der Betriebsänderung gesprochen. Mitunter werden auch zu entlassende Arbeitnehmer namentlich bezeichnet („Interessenausgleich mit Namensliste“). Die Kündigung dieser Arbeitnehmer ist dann deutlich erleichtert (§ 125 InsO).

Kommt kein Interessenausgleich zustande oder existiert kein Betriebsrat, kann der Insolvenzverwalter auch das Arbeitsgericht einschalten. Er kann dann beantragen, dass das Gericht die Wirksamkeit der geplanten Entlassungen feststellt (§ 126 InsO). Gegen die Entscheidung des Gerichts und damit gegen die so zustande gekommene Kündigung vorzugehen, ist schwierig. Erfolgsaussichten bestehen hauptsächlich bei

-wichtigen Änderungen, die nach der Kündigung aufgetreten sind
-fehlender Anzeige der Massenentlassung beim Arbeitsamt
-fehlender Anhörung des Betriebsrats
-besonderen Kündigungsschutzgründen wie Schwangerschaft oder Schwerbehinderung

Dennoch kann und sollte gerade in einem solchen Fall nicht der Weg zum Anwalt gescheut werden.
Zum Seitenanfang


4. Finanzielle Entschädigung aufgrund der Insolvenzfolgen

Die erleichterten Kündigungsbedingungen gehen normalerweise mit wirtschaftlich negativen Folgen für die Arbeitnehmer einher. Schließlich verlieren sie mit der Arbeit auch ihren Lebensunterhalt.
Mitunter besteht jedoch Hoffnung auf finanziellen Ausgleich.
Zum Seitenanfang

a) Schadensersatz

Hat der Insolvenzverwalter von der verkürzten Kündigungsfrist Gebrauch gemacht – hatte der Arbeitnehmer also grundsätzlich eine längere Kündigungsfrist als drei Monate – entsteht ein Anspruch auf Schadensersatz, hier auf das entgangene Gehalt (§ 113 S. 3 InsO).
Aber Vorsicht: Dieser Anspruch wird rechtlich als sogenannte Insolvenzforderung behandelt. Das bedeutet, der Arbeitnehmer steht mit seiner Forderung auf einer Liste mit anderen wartenden Gläubigern. In vielen Fällen genügt bei einer Insolvenz das Vermögen des Arbeitgebers nicht mehr, um alle Gläubiger zu befriedigen. Dann erhält jeder nur einen kleinen Teil des übriggebliebenen Vermögens, weil dieses auf alle fair verteilt werden soll. Oft ist daher eine Auszahlung von lediglich 2-10 % des verlorenen Gehalts realistisch.
Zum Seitenanfang

b) Abfindung

In vielen Fällen können Arbeitnehmer auch auf eine Abfindung hoffen. Entlassungen bei Insolvenz erfolgen oft aufgrund eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes. Hier sind Abfindungen besonders häufig. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter die Abfindung jedoch freiwillig anbieten. Eine Abfindung kann sich auch aus einem Sozialplan ergeben. Ein solcher wird wie der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter und Betriebsrat ausgehandelt und soll die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer in Folge der Entlassungen abmildern.

Fällt der Zeitpunkt des Abfindungsangebots auf einen Termin vor der Insolvenzeröffnung, ist die Abfindung wie der Schadensersatz wegen verkürzter Kündigungsfrist eine Insolvenzforderung. Das bedeutet also auch hier, dass die Auszahlung oft höchstens 10 % der vereinbarten Höhe betragen wird.

Lukrativer wird dagegen eine Abfindungszusage nach Insolvenzeröffnung. Abzüge aufgrund der Insolvenz sind dann meist nicht zu befürchten, da die Forderung aufgrund des Zeitpunkts als sogenannte Masseverbindlichkeit zählt. Sie wird priorisiert, das heißt vor den Insolvenzforderungen ausgezahlt. Sollte die Abfindung durch einen Sozialplan geregelt worden sein, darf aber höchstens eine Abfindung in Höhe von 2 ½ Bruttomonatsgehältern ausgezahlt werden (§ 123 Abs. 1).

Beispiel: Nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet ist, soll Arbeitnehmer C gekündigt werden. C verdient monatlich 1.000 € brutto. Der Insolvenzverwalter darf ihm also aufgrund des Sozialplans höchstens 2.500 € zahlen.

Nicht ausgeschlossen ist schließlich die individuelle Vereinbarung eines Aufhebungsvertrags mit dem Insolvenzverwalter bzw. Arbeitgeber nach Insolvenzeröffnung. Hier sollte die Chance genutzt werden, um einen möglichst hohen Betrag auszuhandeln.
Zum Seitenanfang


5. Wie wehre ich mich gegen eine Kündigung?

Sie sehen, auch bei einer Insolvenz ist eine Kündigung keinesfalls immer möglich. Vielmehr gilt auch weiterhin der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers, sodass der Insolvenzverwalter einige Anforderungen erfüllen muss, um Entlassungen durchzuführen.
Es kann sich daher oft lohnen, gegen die Kündigung vorzugehen und den Arbeitsplatz zu retten oder zumindest eine Abfindung auszuhandeln. Betroffene Arbeitnehmer sollten daher im Zweifel sofort einen Anwalt aufsuchen und gegen die Kündigung vorgehen. Denn drei Wochen nach Zugang der Kündigung besteht faktisch keine Chance mehr, die Kündigung anzugreifen. Wer diese Frist verpasst, muss daher auch eine unwirksame Kündigung hinnehmen. Dies gilt übrigens für so gut wie jeder Kündigung – unabhängig von einer Insolvenz des Unternehmens.
Zum Seitenanfang


6. Fazit

-Wird der Arbeitgeber insolvent, löst dies nicht automatisch eine Kündigung der Arbeitnehmer aus. Das Arbeitsverhältnis besteht grundsätzlich weiter. -Auch in der Insolvenz können Arbeitnehmer gekündigt werden, sofern der Kündigungsschutz beachtet wird.
-Während des Insolvenzverfahrens spricht in der Regel der Insolvenzverwalter die Kündigungen aus.
-Kündigungen während dieser Zeit werden für ihn durch kürzere Kündigungsfristen, Interessenausgleich und Gerichtsanträge vereinfacht.
-Der Insolvenzverwalter muss weiterhin beweisen, dass die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erforderlich ist und eine Sozialauswahl treffen.
-Hoffnung auf finanziellen Ausgleich kann es in Form von Schadensersatz und Abfindung geben. Die Chancen auf eine volle Abfindung steigen bei Vereinbarungen nach Insolvenzeröffnung.
-Möglichkeiten, einen individuellen Aufhebungsvertrag mit höherer Abfindung zu vereinbaren, sollten ergriffen werden.

Zum Seitenanfang




TätigkeitsschwerpunkteArbeitsrecht-InfosHonorar-InfosRechtsberatung OnlineAktuellesLinksKontakt/Anfahrt zurück